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Fredrik Söderström im grossen Interview

Der EHCO-Headcoach blickt auf den Saisonstart zurück – und verrät, wieso er sein Coaching überdenken musste.

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Fredrik Söderström, der EHCO hat das erste Quali-Quartal hinter sich. Was läuft anders als geplant?
Wir Coaches haben nun begonnen, nochmals ziemlich grosse Veränderungen vorzunehmen, was unser Spielkonzept angeht. Nicht wegen ein, zwei Niederlagen. Sondern als Reaktion nach zwei Monaten hier, nachdem ich die Spieler und das Schweizer Eishockey besser kennengelernt habe.

Das heisst?
Ich bin mit meiner schwedischen Denkart hier angekommen – und wurde ja mitunter genau deswegen verpflichtet. Aber wie ich schon bei meiner Ankunft sagte: Ich muss das Schweizer Eishockey, die Spielweise und Kultur respektieren. Ich wäre dumm, wenn ich alles verändern wollte. Und so habe ich zusammen mit Dennis (Hall, sein Assistent, die Red.) festgestellt, dass wir einige Vorgaben, wie wir uns im Spiel mit und ohne Scheibe verhalten wollen, anpassen müssen. Dass die Ideen, die wir zuerst umsetzen wollten, hier nicht die optimale Lösung bringen würden.

Wieso nicht?
Die Spieler versuchen, unsere Ideen zu verstehen, arbeiten hart und werden im Moment dafür zu wenig belohnt. Wir müssen effektiver werden im Spiel. Wir sind daran, ein gemeinsames Hockey-Verständnis zu etablieren. Was in Schweden selbstverständlich ist, gilt in der Schweiz nicht automatisch und umgekehrt.

Ein Beispiel?
Ich bin schon überrascht, wie offensiv in der Schweiz gespielt wird. Beim ersten Spiel als EHCO-Coach haben mich all die Turn-Overs, Scheibenverluste in der Offensivbewegung, sehr gewundert. Dann habe ich National-League-Spiele angeschaut und gemerkt: Das Niveau mag höher sein, aber auch hier – sehr viele Turn-Overs. Ich realisierte: So spielt man Eishockey in der Schweiz. Das ist unterhaltsamer als das schwedische Hockey. Dort liegt der Fokus immer auf der Defensive, und das kann langweilig werden zum Zuschauen. Ich kann und will diese Schweizer Hockeykultur nicht ignorieren. Aber wir müssen schon noch weniger Fehler machen. Und die Fehler des Gegners besser ausnutzen. Mein Ziel ist es, die ideale Balance zu finden zwischen dem schweizerischen Offensivfreigeist und dem schwedischen Weg.

Was ist dieser schwedische Weg genau?
Wir vertrauen dem System mehr als dem Individuum. Hier, dünkts mich, ist das Gegenteil der Fall. In Schweden tun alle das gleiche, weil wir von früh weg lernen, alle dasselbe zu tun, auf den Eis wie im Leben. Ein Land von starker sozialstaatlicher Prägung. Das kann langweilig sein, aber es bedeutet, dass mehr Menschen ein stabiler Teil des grossen Ganzen sind. Jeder weiss, was der andere macht, es ist berechenbar. In der Schweiz leben die Menschen individualistischer. Und spielen die Spieler individualistischer.

Wie geht man als skandinavischer Coach damit um?
Ich habe Dennis diesen Sommer gesagt: Ich arbeite nun seit 20 Jahren im Eishockey, und ich habe eines gelernt: Es spielt keine Rolle, was ich weiss oder glaube, solange ich die Spieler nicht dazu bringen kann, es zu verstehen. Wir kamen nicht hier an mit einem riesigen Playbook und sagten den Spielern: Lernt das und jenes, oder ihr werdet unter uns nicht spielen. Stattdessen war es unser Ziel, so schnell wie möglich die Qualitäten der Spieler und des Teams zu identifizieren. Wir Coaches beschlossen also: Wir beginnen jetzt so, und sobald wir mehr wissen, können wir anfangen, Anpassungen vorzunehmen. Und in dieser Phase sind wir jetzt.

Phase 2 nach dem Kennenlernen?
Langsam kann ich behaupten, die Spieler wirklich zu kennen. Glauben Sie mir, es braucht eine gewisse Zeit, bis man ein Team von 25 Spielern wirklich kennt, bis man weiss, was Fogstad Vold wirklich gut kann und was weniger, wozu Eigenmann fähig ist und wozu vielleicht nicht. Hinzu kommt übrigens: Im Team stehen 14 neue Spieler. An jedem Arbeitsplatz, an dem 14 neue Köpfe zusammenarbeiten, braucht es Zeit, um Rollen zu finden – Thema Geduld. Ich habe oft davon gesprochen, und lustig ist ja, dass ich selbst der erste war, den ich daran erinnern musste: Nach dem ersten Spiel in Winterthur war ich wütend und enttäuscht. Ich dachte, wir seien schon weiter. Aber der Frust war von kurzer Dauer. Ich bin nicht gestresst, dass wir noch nicht weiter sind, weil ich die Gründe erkenne. Und das Potential sehe.

Was für ein Team haben Sie denn kennengelernt in den letzten Wochen?
Ich mag die Mentalität des Teams sehr, wir haben eine Gruppe von „happy guys“, wie ich sage, fröhliche, positive Typen. Ich fühle mich willkommen, die Stimmung ist konstruktiv, ich merke, die Spieler wollen verstehen, arbeiten, etwas erreichen. Von der Spielanlage her ist es eine Mannschaft mit viel Offensivdrang und Offensivtalent. Auch wenn das noch nicht wunschgemäss zum Ausdruck kommt.

Wegen der erwähnten System-Differenzen?
Das anfänglich angestrebte System hatte unter anderem zur Folge, dass die Spieler auf dem Eis zu viel denken. Als Beispiel das Forechecking: Wir versuchten, vereinfacht formuliert, das Forechecking in 5 eng miteinander verknüpften Schritten zu betreiben; der erste Spieler trifft eine Entscheidung, der zweite handelt entsprechend dieser, der dritte entsprechend dem zweiten, und so weiter. In Schweden ist das ein typisches Spiel, hier haben wir die Spieler wohl etwas verwirrt mit dieser Taktik. So hatten wir das Problem: Die Spieler haben auf dem Eis zu viel gedacht und dadurch zu langsam und zu wenig gehandelt. Sie versuchen ja, loyal zu sein. Umzusetzen, was wir verlangen. Und wenn das nicht gelingt, ist Stress und negativer Druck die Folge. Wie der Schüler, der sich wirklich bemüht, gute Noten heimzubringen, aber Probleme bekundet. Dann kommen Stress und Druck dazu – und die Probleme werden grösser. Deshalb versuchen wir nun, zu vereinfachen. Damit auch die Leader mit weniger Druck agieren können. Denn das ist absolut essentiell.

Inwiefern?
Ich habe gelernt in meinen Jahren als Coach: Hockeyspieler machen nicht, was Du ihnen sagst. Sie machen, was andere machen. Leading by example. Es ist für ein funktionierendes Team sehr, sehr wichtig, dass Leaderfiguren mit gutem Beispiel vorangehen. Wir müssen also dafür sorgen, dass unsere Leader einfach und erfolgreich spielen, Tore schiessen, wuchtig agieren. Wenn Philipp Rytz einfach, hart und möglichst fehlerfrei spielt, dann wird auch Janis Elsener einfach, hart und möglichst fehlerfrei spielen. Wenn Dion Knelsen oder Garry Nunn oder Evgueni Chiriayev viel schiessen, dann machen das die anderen auch. Das ist auch ein Mitgrund, wieso im Teamsport oft das ganze Kollektiv auf gutem Niveau spielt oder eben nicht. Es kommt selten vor, dass die Hälfte des Teams super spielt und die andere einen schwarzen Abend einzieht.

Wo sehen Sie den EHC Olten in dieser Liga?
In den Top 4 sollten wir schon sein, ob Nummer 1 oder 4, weiss ich ehrlich gesagt noch nicht. Ich lerne die Gegner ja auch noch kennen. Jedes Stadion, das ich besuche, ist neu, jeder Gegner ebenso. Unser Plan ist es, dann am erfolgreichsten zu sein, wenn es am meisten zählt. Aber es gibt keinen Grund und auch keine Ausrede, die Qualifikation auf Rang 7 abzuschliessen. Gleichzeitig bin ich bereit dazu, jetzt einen Preis dafür zu bezahlen, um echte Fortschritte erzielen zu können. Es wäre einfach für mich, ein bisschen zu schummeln, jetzt schon voll auf Resultat zu spielen. Das würde uns im Verlauf der langen Saison aber nicht weiterbringen, im Gegenteil. Zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurück, so ist das. Das ist übrigens auch für mich nicht einfach, weil ich es dermassen hasse, Spiele zu verlieren.

Macht Ihnen das Thema Powerplay Sorgen?
Ich bin überzeugt, dass wir die Zutaten für ein starkes Powerplay haben. Im Training haben wir ein tolles Powerplay – dann beginnt das Spiel und wir sehen extrem gestresst und umständlich aus und bringen die Scheibe nicht mehr aufs Tor.

Ist das auch eine Systemfrage?
Nein, das Powerplay hat wenig mit dem System zu tun. Auch wenn viele Trainer das nicht gerne zugeben, die meisten wissen: Der Einfluss von Coaches aufs Powerplay wird massiv überschätzt. Es basiert in der Hauptsache auf den Skills der Spieler, die Powerplay spielen. In 90 Prozent der Fälle beschränkt sich der Job des Coaches darauf, die 5 richtigen Spieler rauszuschicken. Und es gibt im Powerplay im Idealfall einen auf dem Eis, der das Ganze ein wenig orchestriert, nicht fünf. Wir Coaches sind da, für den Fall, dass es nicht funktioniert, um den Spielern Lösungen aufzuzeigen. Und wir machen uns derzeit sicher Gedanken diesbezüglich.

Was lässt sich tun, wenn es nicht läuft? 
Vereinfachen! Schiessen! Letztes Jahr waren wir in Norwegen ein Topteam, gewannen die allermeisten Spiele, hatten aber phasenweise die schlechteste Bilanz im Powerplay. Gleichzeitig waren wir das beste Powerplay-Team in der Champions Hockey League. In der Liga hielten wir uns für besser, als wir waren, wurden umständlich. Gegen die Topteams der CHL wussten wir: Wir haben keine Zeit, also droschen wir die verdammte Scheibe einfach so viel Richtung Tor wie irgendwie möglich.

Schlussfrage, ganz allgemein: Was ist das wichtigste Rezept für grosse Erfolge?
Es müssen wirklich alle am selben Strang ziehen. Wenn ich in der Vergangenheit Erfolg hatte mit einem Team – dann immer nur, wenn alle im Club gemeinsam in die gleiche Richtung arbeiteten.

Interview: ph / Fotos: Freshfocus

Das Interview erscheint in ganzer Länge in der neusten Ausgabe des Clubmagazins "Powermouse".